Der erste Berührungspunkt eines Kunden mit einer Zeitschrift, einem Buch oder einer App ist meistens deren Titel. Oft kann schon dieser entscheiden, ob jemand die Zeitschrift in die Hand nimmt, sich das Buch genauer anschaut oder die App runterlädt. Daher wird nicht nur der Auswahl des Titels große Bedeutung beigemessen, sondern der Werktitel wird – ähnlich einer Marke – auch besonders geschützt. Deswegen ist der Werktitel auch über das Markengesetz geschützt (siehe dazu § 5 Abs. 3 MarkenG).
Bundesgerichtshof: Kein Werktitelschutz für die App„wetter.de“
Zu diesem so genannten Werktitelschutz hat der Bundesgerichtshof am 28. Januar 2016 (Az. I ZR 202/14) ein wichtiges Urteil gefällt. Dabei ging es um die Frage, wie hoch die Anforderungen an die Unterscheidungskraft des Titels einer App zu stellen sind. Das heißt: Ab wann ist der Titel einer App so prägnant, dass er eines besonderen Schutzes unterliegt?
In dem konkreten Fall hatte die Betreiberin der Domain „wetter.de“ Klage erhoben. Auf der Internetseite www.wetter.de stellt sie Wetterdaten und weitere Informationen mit Bezug zum Thema Wetter bereit. Seit dem Jahr 2009 bietet sie die entsprechenden Informationen auch über die App mit dem Titel „wetter.de“ für Smartphones und Tablets an.
Die Beklagte ist dagegen Inhaberin der Domainnamen „wetter.at“ und „wetterdeutschland.com“, unten denen sie im Internet ebenfalls Wetterdaten zur Verfügung stellt. Seit Ende 2011 betreibt sie ebenfalls eine App unter den Bezeichnungen „wetter DE“, „wetterde“ und „wetter-DE“.
Die Klägerin beanstandet die Benutzung der Bezeichnungen als eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte an dem Domainnamen „wetter.de“ und der entsprechenden Bezeichnung der von ihr vertriebenen App. Sie zog vor Gericht und machte eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte geltend.
Nachdem die Klägerin in zwei Instanzen unterlag, musste der Bundesgerichtshof entscheiden, ob dem Titel „wetter.de“ ein besonderer Schutz zukommt. Dafür entscheidend war die Frage, ob der Titel Unterscheidungskraft hat oder allein beschreibend ist. Denn auch Apps für Smartphones und Tablets können Werktitelschutz genießen, müssen dafür aber hinreichend unterscheidungskräftig sein.
Titelschutz erst bei originärer Unterscheidungskraft oder Verkehrsgeltung
Die für den Werktitelschutz erforderliche Unterscheidungskraft kann sich aus zwei Möglichkeiten ergeben: Der Titel kann erstens originäre Unterscheidungskraft haben – das heißt an sich unterscheidungskräftig sein – oder die Unterscheidungskraft erst durch seine Verkehrsgeltung bei den angesprochenen Verkehrskreisen erreichen. Anders gesagt: Die Kunden müssten mit der Bezeichnung „wetter.de“ eine bestimmte Internetseite verbinden und darin nicht bloß eine reine Beschreibung sehen.
Der Bundesgerichtshof hat allerdings für die Bezeichnung „wetter.de“ beide Möglichkeiten des Werktitels verneint.
Keine originäre Unterscheidungskraft von wetter.de
Für die Frage, ob der Bezeichnung wetter.de eine originäre Unterscheidungskraft zukommt, war entscheidend, ob an den Titelschutz von Domainnamen und Apps geringere Anforderungen gestellt werden können. Einen solchen abgesenkten Maßstab erkennt die Rechtsprechung beispielsweise für Zeitungen und Zeitschriften an, da diese „seit jeher mit mehr oder weniger farblosen und nur inhaltlich oder räumlich konkretisierten Gattungsbezeichnungen gekennzeichnet werden“. Daran sei der Verkehr – so der Bundesgerichtshof – seit langem gewöhnt.
Hintergrund: Wie beim Markenschutz gibt es Werktitelschutz nur, wenn der Werktitel unterscheidungskräftig ist. Bei der Marke sind die Anforderungen an die Unterscheidungskraft wesentlich höher als beim Werktitel. Eine Marke wetter würde mangels Unterscheidungskraft niemals für die Dienstleistung Wettervorhersage eingetragen. Nur weil die Anforderungen zur Unterscheidungskraft an einen Werktitel geringer sind, insbesondere im Bereich von Zeitungstiteln und Ähnlichem aber nochmal abgesenkt, z.B. Leipziger Zeitung wäre wohl geschützt, obwohl glatt beschreibend, konnte die Klägerin auf die Idee kommen, "wetter.de" sei als Werktitel geschützt.
Diese Gewöhnung sah der Bundesgerichtshof aber für den Bereich von Domainnamen und Apps bislang nicht und lehnte eine Übertragung der abgesenkten Anforderungen an den Titelschutz daher ab.
Keine Verkehrsdurchsetzung von wetter.de
Der Werktitelschutz von wetter.de wurde schließlich auch nicht unter dem Aspekt der Verkehrsgeltung begründet. Von einer Verkehrsdurchsetzung der Bezeichnung kann nach dem Bundesgerichtshof dann ausgegangen werden, wenn mehr als die Hälfte der angesprochenen Verkehrskreise in der Bezeichnung „wetter.de“ einen Hinweis auf eine bestimmte Internetseite mit Wetterinformationen sehen. In dem konkreten Fall hätte die Klägerin aber diese Verkehrsdurchsetzung nachweisen müssen, was sie nicht getan hat.
Fazit: Auch App-Bezeichnungen können dem Werktitelschutz unterliegen, doch bleibt die Hürde dafür normal hoch. Rein beschreibende App-Namen sind nicht geschützt. Denn anders als bei Zeitungen und Zeitschriften, werden die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit nicht gesenkt.
Ihr Ansprechpartner im Markenrecht ist: Alexander Grundmann, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Leipzig
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